Tipps und Hinweise für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Jahresende 2022

Ermäßigt besteuerter Arbeitslohn

1. Steuerermäßigung bei nachträglicher Überstundenvergütung

Die sog. Fünftelregelung ermöglicht die ermäßigte Besteuerung für Zahlungen, die über einen Veranlagungszeitraum hinausgehen, und findet üblicherweise im Bereich des Arbeitslohns Anwendung auf Abfindungen.

In einem am 02.12.2021 vom BFH entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob die Ermäßigung auch dann greift, wenn für mehrere Jahre Überstundenvergütungen vom Arbeitgeber nachgezahlt werden. Im vorliegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer im Zuge der Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Überstundenvergütung für drei Jahre ausgehandelt. Das Finanzamt erfasste die Nachzahlungen als Arbeitslohn ohne Ermäßigung.

Demgegenüber hat der BFH die Voraussetzungen für die Anwendung der Fünftelregelung als gegeben angesehen. Es lag eine mehrjährige Zweckbestimmung vor und die Zahlungen erstreckten sich auf mindestens zwei Veranlagungszeiträume und einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten. Außerdem sah er für die Zusammenballung der Einkünfte aus der Nachzahlung auch einen wirtschaftlich vernünftigen Grund. Laut BFH bestand demnach kein Gestaltungsmissbrauch in der Nutzung der ermäßigten Besteuerung.

Hinweis: Eine solche Konstellation ist z.B. denkbar, wenn sich Überstundenklauseln in einem Arbeitsvertrag im Nachhinein als unwirksam herausstellen.


Häusliches Arbeitszimmer

2. Erforderlichkeit eines Arbeitszimmers für die berufliche Tätigkeit

Muss ein häusliches Arbeitszimmer für die berufliche Tätigkeit eines Arbeitnehmers unbedingt erforderlich sein, um die Kosten steuerlich geltend machen zu können? Der BFH hatte hierüber 2019 in einem Urteil zu entscheiden. Veröffentlicht wurde die Entscheidung jedoch erst im März 2022 im Bundessteuerblatt; sie muss seit diesem Zeitpunkt von den Finanzämtern angewendet werden. Im besagten Fall hatte sich eine Flugbegleiterin ein Arbeitszimmer im eigenen Haus eingerichtet. Der Raum wurde nur für berufliche Zwecke genutzt, namentlich ging es um Verwaltungstätigkeiten im Zusammenhang mit ihrer Arbeit als Flugbegleiterin. Nach Angaben der Klägerin stand ihr hierfür kein anderer Arbeitsplatz beim Arbeitgeber zur Verfügung. Das Finanzamt versagte aufgrund des Berufsbilds jedoch den Abzug der Kosten für das Arbeitszimmer.

Der BFH sah dies jedoch anders: Wenn das Arbeitszimmer ausschließlich für die genannten Verwaltungstätigkeiten genutzt wurde, war der Abzug zu gewähren. Es spielt nach Ansicht des BFH keine Rolle, dass auch der Küchentisch oder Ähnliches für Verwaltungstätigkeiten genutzt werden könnte. Da das Arbeitszimmer nicht den qualitativen Schwerpunkt der gesamten Tätigkeit bildete, war der Abzug der Kosten auf 1.250 € im Jahr zu begrenzen.

Hinweis: Das Urteil eröffnet einen erheblichen Spielraum, ein häusliches Arbeitszimmer steuerlich abziehbar zu gestalten. Neben Verwaltungstätigkeiten könnte ein weiterer Grund etwa die berufliche Fortbildung sein. Allerdings ist auch damit zu rechnen, dass das Finanzamt eine Bestätigung des Arbeitgebers einfordert, dass kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

3. Neuerungen beim häuslichen Arbeitszimmer

Durch das JStG 2022 gibt es Neuerungen beim häuslichen Arbeitszimmer.

Steht kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, soll der bisherig bestehende Höchstbetrag von 1.250 € in einen Pauschbetrag in gleicher Höhe umgewandelt werden. Damit kommt es also auf den detaillierten Nachweis der Kosten nicht mehr an. Dies ist ein erheblicher Vorteil zur bisherigen Regelung. Werden verschiedene Tätigkeiten ausgeübt und sind die Voraussetzungen für den Abzug der Jahrespauschale jeweils erfüllt, soll die Jahrespauschale auf die verschiedenen Tätigkeiten aufzuteilen sein. Die Jahrespauschale ist dabei raumbezogen anzuwenden und kann auf mehrere Nutzer aufgeteilt werden. Bisher galt bei mehreren Nutzern ein nutzerbezogener Abzugsbetrag (jeder Nutzer konnte also insoweit den Abzugsbetrag von bis zu 1.250 € geltend machen).

Ein voller Abzug der Kosten ist nur noch dann möglich, wenn das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet.


Steuerfreier Arbeitslohn

4. Corona-Bonus für Pflegeberufe

Für die in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer wird ein sog. Pflegebonus von bis zu 4.500 €, den der Arbeitgeber zur Anerkennung besonderer Leistungen - wie während der Corona-Krise - ausbezahlt, als steuerfrei behandelt. Profitieren können auch Beschäftigte in Einrichtungen für ambulantes Operieren und in bestimmten Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Dialyseeinrichtungen, Arzt- und Zahnarztpraxen sowie bei Rettungsdiensten.

Begünstigt sind entsprechende Auszahlungen vom 18.11.2021 bis zum 31.12.2022.


Steuerentlastungsgesetz 2022

5. Entlastungen für Arbeitnehmer

Das am 28.05.2022 in Kraft getretene Steuerentlastungsgesetz 2022 enthält als Reaktion auf den enormen Anstieg der Energiepreise einige nennenswerte Entlastungen für Arbeitnehmer.

Höhere Entfernungspauschale

Eigentlich war vorgesehen, die Pauschale für Fernpendler und Steuerpflichtige mit doppelter Haushaltsführung erst zum 01.01.2024 ab dem 21. Entfernungskilometer von 0,35 € auf 0,38 € anzuheben. Diese Regelung wurde nun vorgezogen und gilt rückwirkend bereits ab dem 01.01.2022. Die Erhöhung ab dem 21. Entfernungskilometer gilt bis einschließlich 2026. Für die ersten 20 Kilometer bleibt die Pauschale unverändert bei 0,30 €.

Höherer Arbeitnehmer-Pauschbetrag

Bei Einkünften aus Arbeitnehmertätigkeit wird von Gesetzes wegen ein Pauschbetrag für Werbungskosten angesetzt, die nicht nachgewiesen werden müssen. Dieser betrug bisher 1.000 € und wurde rückwirkend für 2022 auf 1.200 € angehoben. Der Pauschbetrag wird auch im Rahmen des Lohnsteuerabzugs berücksichtigt. Dies bedeutet aber auch, dass im Jahr 2022 erst bei Werbungskosten, die den Betrag von 1.200 € übersteigen, überhaupt ein steuerlicher Effekt eintritt.

Da sich die Anhebung des Grundfreibetrags und des Arbeitnehmer-Pauschbetrags unmittelbar auf die Höhe von Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer auswirkt, ist der bisher im Jahr 2022 vorgenommene Lohnsteuerabzug vom Arbeitgeber grundsätzlich neu zu berechnen.


Änderungen bei Mini- und Midijobs

6. Erhöhung der Grenzen für Mini- und Midijobs und neuer Mindestlohn

Insbesondere in Zeiten des Arbeitskräftemangels können Beschäftigungsverhältnisse unterhalb einer Vollzeittätigkeit für Unternehmen interessante Instrumente sein, um auf personelle Engpässe zu reagieren. Steuer- und sozialversicherungsrechtlich sind diese Tätigkeiten durch wenige bzw. keine Abzüge für Arbeitnehmer interessant; weiterhin profitieren sie von einer vergleichsweise niedrigen Versteuerung.

Erhöhung der Entgeltgrenze bei Minijobs

Bei den sog. Minijobs galt bis zum 30.09.2022 eine monatliche Geringfügigkeitsgrenze für das Arbeitsentgelt i.H.v. 450 €. Ab dem 01.10.2022 erhöht sich die Geringfügigkeitsgrenze auf monatlich 520 €.

Zum 01.10.2022 ist außerdem der gesetzliche Mindeststundenlohn auf 12 € angehoben worden, nachdem er bereits zum 01.07.2022 auf 10,45 € erhöht worden war. Der Mindestlohn muss auch bei Minijobbern berücksichtigt werden. Folglich darf im Monat grundsätzlich eine gewisse Höchststundenzahl nicht überschritten werden.

Hinweis: Erhält der Minijobber ab dem 01.10.2022 den gesetzlichen Mindestlohn von 12 € pro Stunde, ist (rechnerisch) eine maximale Stundenzahl von 43,33 Stunden pro Monat möglich.

Änderung des Übergangsbereichs bei Midijobs

Als Midijob bezeichnet man bis zum 30.09.2022 ein Beschäftigungsverhältnis mit einem regelmäßigen Arbeitsentgelt zwischen 450,01 € und 1.300 € pro Monat. In diesem Verdienstbereich sind die Sozialabgaben für Arbeitnehmer günstiger als in der regulären Verbeitragung.

Zum 01.10.2022 hat sich der Übergangsbereich, entsprechend der Anhebung bei den Minijobs, auf eine Spanne zwischen 520,01 € und 1.600 € im Monat verschoben. Bei einem Mindestlohn von 12 € und der auf 1.600 € angehobenen Entgeltgrenze kann der Arbeitsumfang also maximal 133,33 Stunden betragen.

Höherer Verdienst bei Midijobs

Zum 01.10.2022 ist die Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich (Midijob) von 1.300 € auf 1.600 € angehoben worden. Geplant ist, diese Höchstgrenze ab dem 01.01.2023 um weitere 400 € auf monatlich 2.000 € anzuheben.


Drittes Entlastungspaket

7. Weitere Entlastungen für Arbeitnehmer

Im Rahmen des sog. dritten Entlastungspakets hat die Koalition am 03.09.2022 weitere finanzielle Entlastungen vor dem Hintergrund der Energiekrise und der Inflation beschlossen. Für Arbeitnehmer sind hierbei insbesondere die folgenden Entlastungen geplant, wobei die Einzelheiten noch nicht feststehen.

Entfristung der Homeoffice-Pauschale

Die derzeit noch bis Ende 2022 geltende Homeoffice-Pauschale mit einem Höchstbetrag von 600 € im Jahr (120 Tage i.H.v. 5 € pro Tag) wird dauerhaft entfristet, und der maximale Abzugsbetrag erhöht sich auf 1.000 € pro Jahr. Das gilt unabhängig davon, ob die Tätigkeit in einer Arbeitsecke oder im häuslichen Arbeitszimmer erfolgt.

Steuerfreie Prämie für Arbeitnehmer

Diese Regelung wurde durch ein separates Gesetz bereits beschlossen. Unternehmen, die ihren Arbeitnehmern zusätzlich zum vereinbarten Arbeitslohn eine Prämie oder einen Bonus zahlen, können dies im Zeitraum vom 26.10.2022 bis zum Ablauf des 31.12.2024 bei einem Betrag bis zu 3.000 € steuer- und sozialversicherungsfrei durchführen.

Wichtig ist, dass bereits vertraglich vereinbarte Zahlungen (z.B. Tantiemen) nicht in eine steuerfreie Corona-Prämie umgewidmet werden können.

Weiterhin erleichterter Zugang zum Kurzarbeitergeld

Die bisherigen bis zum 30.09.2022 befristeten Regelungen zum erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld für Unternehmen sollen weiter fortgeführt werden.


Transparente Arbeitsbedingungen

8. Verschärfte Pflichten für Arbeitgeber seit 01.08.2022

Transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen - das ist das Ziel des neuen Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 in nationales Recht. Kaum verabschiedet, trat das Gesetz auch schon am 01.08.2022 in Kraft und führt zu weitreichenden Änderungen, die Arbeitgeber bei der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen zu beachten haben.

Nicht nur das Nachweisgesetz, auch das Berufsbildungsgesetz, die Handwerksordnung, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, das Seearbeitsgesetz, die Gewerbeordnung, das Teilzeit- und Befristungsgesetz, das Notfallsanitätergesetz, das PTA-Berufsgesetz und das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sind von den Änderungen betroffen und werden dementsprechend angepasst.

Hinweis: Bei weiteren Fragen holen Sie bitte rechtsberatenden Beistand ein.

Maßnahmen im neuen Nachweisgesetz

Gemäß dem Nachweisgesetz muss der Arbeitgeber die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses schriftlich niederlegen, die Niederschrift unterzeichnen und dem Arbeitnehmer aushändigen, wenn es nicht ohnehin einen schriftlichen Arbeitsvertrag gibt. Nunmehr müssen Arbeitgeber in der Niederschrift zusätzlich zu den bisherigen Angaben zahlreiche weitere Informationen aufnehmen:

  • die Höchstdauer der Probezeit (welche nun bei sechs Monaten liegt),
  • die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen,
  • die Mindestvorhersehbarkeit der Arbeit,
  • die Pflicht zum Nachweis über die Identität entleihender Unternehmen und
  • Pflichtfortbildungen

Bei befristeten Arbeitsverträgen müssen das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses angegeben werden. Dies kann in Form einer konkreten Zeitbestimmung bzw. eines konkreten Enddatums oder - falls es sich um einen zweckbefristeten Arbeitsvertrag handelt - durch Angabe des Zwecks erfolgen.

Die Frist zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die ausschlaggebenden Vertragsinhalte wird ebenfalls verkürzt. Mit der Umsetzung der Richtlinie liegt diese nur noch bei sieben Tagen anstelle eines Monats.

Besonders gravierend ist, dass zukünftig Verstöße gegen das Nachweisgesetz als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 2.000 € pro Verstoß geahndet werden können.

Hinweis: Die verschärften Hinweispflichten gelten zwar grundsätzlich nur für neue Arbeitsverträge, die ab dem 01.08.2022 abgeschlossen worden sind. Aber wenn ein Arbeitnehmer mit einem älteren Vertrag danach verlangt, müssen Sie seinen Arbeitsvertrag innerhalb von einem Monat - teils schon innerhalb von sieben Tagen - um eine Niederschrift in der neuen detaillierteren Form ergänzen. Sofern im Unternehmen Musterarbeitsverträge eingesetzt werden, sollten diese umgehend geprüft und ggf. angepasst werden.

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